11.12.2006

Making Comics:
Visuelle Sprache des Geschichtenerzählens

Es gibt dutzende Bücher um zu lernen, wie man Comics zeichnet. Die meisten drehen sich allerdings um reine Technik: Panels, Figuren, Stile. Ich kenne bisher nur zwei Bücher, die sich ausführlich dem Thema widmen, wie man mit Bildern Geschichten schreibt:

Will Eisner: Graphic Storytelling and Visual Narrative (1996) Scott McCloud: Making Comics – Storytelling Secrets of Comics, Manga and Graphic Novels (2006)

Obwohl sich die zwei Autoren das gleiche Ziel gesetzt haben, könnten ihre Wege unterschiedlicher nicht sein. Will Eisner spricht aus meiner Sicht mehr die rechte, musische Hirnhälfte an, Scott McCloud stärker die linke, logische Hälfte. Will Eisners Buch ist wirklich 1a (Danke Benjamin), setzt jedoch mehr voraus. Scott McCloud dagegen macht die Prinzipien des Comiczeichnens mit seinem Buch sichtbarer: was dem erfahrenen Comiczeichner zutiefst intuitiv erscheint, dem Anfänger jedoch bewußt gemacht werden muss.

  • Wie fange ich den richtigen Moment fürs Panel ein? Was stelle ich dar, was lasse ich weg?
  • Wie mache ich die Handlung klar und führe die Augen des Lesers?
  • Wie wähle ich Wort und Bild, so dass sie zusammen kommunizieren?
  • Wie erschaffe ich abwechslungsreiche und einzigartige Charaktere mit innerem Leben und unvergesslichem Aussehen?
  • Wie zeichne ich Körpersprache und Gesichtsausdrücke?

Visuelle Medien leben von ihrem Unterhaltungswert. Deshalb ist der erzählerische Aspekt zentral. Ich lese ein Comic (oder jedes andere Buch) schlichtweg nicht (zu Ende), wenn mich die Geschichte als Leser nicht packt, fesselt und mitreißt. Geschickt gewählte Zeitpunkte, ihr "Framing", ihre bildliche Darstellung, die Wortwahl und der Lesefluss von Panel zu Panel bestimmen, ob die Story klar kommuniziert wird oder als konfuses Durcheinander wirkt.

Eisner: Das Geschichtenerzählen ist seit Urzeiten tiefster Bestandteil unseres Sozialverhaltens. Über Geschichten lernen wir die Verhaltensregeln innerhalb der Gemeinschaft kennen, diskutieren Moral und Werte, oder befriedigen unsere Neugier. Sie dramatisieren soziale Beziehungen und die Probleme des Lebens, vermitteln Ideen oder leben Phantasien aus. Das Erzählen von Geschichten erfordert Können.

Früher diente der Erzähler in der Gruppe oder im Stamm als Unterhalter, Lehrer und Historiker. Geschichten überlieferten Wissen von Generation zu Generation. Diese Rolle spielen sie bis heute. Ein Erzähler muss jedoch erst einmal überhaupt etwas zu erzählen haben und dann auch noch geschickt weiterzugeben wissen.

Die frühesten Erzähler nutzten wohl krude Bilder, unterstützt durch Gesten und Stimmlaute, welche später zu Sprache wurden. Als über die Jahrhunderte neue Technologien entstanden (Papier, Druckereien, …), beeinflussten diese weiter die Erzählkünste.

Scott McCloud Comicpanel

McCloud stellt in seinen Kapiteln immer und immer wieder klar, dass es keine Regeln gibt, niemand alle Antworten kennt, jeder aber ein kleines Stückchen vom Puzzle hat. Wer neugierig ist, folge jedoch diesen vieren:

  • Lerne von jedermann,
  • folge niemandem,
  • achte auf Muster,
  • übe wie verrückt.

Wenn sich Ideen aus seinen vorherigen Büchern Understanding Comics und Reinventing Comics wiederholen, dann nur, weil sie von zentraler Bedeutung sind. Allgemein sind die in Making Comics beschriebenen Prinzipien und Konzepte gut und leicht auch aufs User Interface Design, Fotografieren, Filmen oder Produzieren von Screencasts übertragbar.

Nach diesem Buch kann man Comicbücher auf keinen Fall mehr mit den gleichen Augen lesen – man sieht plötzlich, wie sich der Zeichner der visuellen Elemente bedient, und kann nicht mehr wegkucken.

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